Kindeswohl und Kindeswille - Ein Fazit

 

 

Die Definition vom Kindeswohl nimmt einen zentralen Bestandteil in Familiengerichten ein. Was auf den ersten Blick sehr wohlwollend und vor allem, den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes, ausgerichtet zu sein scheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen lediglich als eine subjektive Beurteilung durch Jugendämter, Gutachter und Gerichte. Kindeswohl und Kindeswille werden oftmals getrennt voneinander „begutachtet“. Jedes Gericht setzt sich seine eigenen Kriterien. Mit oft verheerenden Folgen.

Die Auffassung, ab wann der Kindeswille zählt, sind nicht einheitlich geregelt. So wird Kindern, erst ab dem vollendeten 14. Lebensjahr, ein eigener Wille zugestanden. Wohingegen in manchen Familiengerichten Kinder ab dem 3. Lebensjahr angehört werden. Allerdings stellt sich hierbei oft heraus, dass es nicht darum geht, was das Kind möchte. Keine anderen Verfahren sind so nervenaufreibend und vor allem, für die beteiligten Kinder, so belastend wie Sorgerechts- und Umgangsstreitigkeiten. Welche leider viel zu oft, buchstäblich auf den Rücken der Kinder ausgetragen werden. Der Gesetzgeber formuliert, zwar in Teilen, eine Selbstbestimmung des Kindes, grenzt diese allerdings mit Altersstandards ein. Als Beispiel : §1671 Abs. 2 BGB (Widerspruchsrecht gegen Elternanträge). Hier wird die Vollendung des 14. Lebensjahres verlangt.

 

Das Alter hat einen größeren Einfluss als die individuelle Persönlichkeitsentwicklung des betreffenden Kindes. Zu Bedenken ist, dass eine bestimmte Altersstufe (unter 14-Jährige), als Minus-Variante des Erwachsenenwillens angesehen wird.

 

Beispiele aus der Praxis : Nr. 286 KG, 13. ZS-FamS, Beschluss vom 21.07.2000, 13 UF 9842/99, FamRZ 48 (6) 2001,368) Trotz des ablehnenden Verhaltens des 13- Jährigen gegenüber seinem Vater bekundet das Gericht den Umgang mit dem Vater und fügt hinzu, dass der Junge die Folgen seiner Ablehnung gegenüber dem Vater nicht abschätzen kann.

OLG Nürnberg 010 UF 194/09 Ein 5-Jähriges Mädchen lebt beim Vater und wiederholt gegenüber verschiedenen Personen, dass es lieber bei der Mama wäre. Ebenso äußerte sie dieses gegenüber dem Gericht. Dennoch sah das Gericht keine Veranlassung diesem Kindeswillen genug Gewicht zu geben, da keine Verzweiflung erkennbar war.

Persönliche Anmerkung: Menschen sind soziale Wesen, die ihr Überleben sichern möchten. Kinder, die in prekären Familiensituationen leben, entwickeln Strategien, um ihr eigenes Überleben zu sichern. Deshalb ist es nicht unüblich und überraschend, wenn Kinder sich nicht gegen den Elternteil stellen, bei dem sie leben. Denn sie wissen, dass sie mit diesem weiter in einen Haushalt leben müssen. Mein Wunsch ist, dass dieses mehr Gewicht in Familienverfahren bekommt, ebenso wie der Loyalitätskonflikt. Die 14-Jährige Altersgrenze wird als Durchschnittstypus für die kindliche Selbstbestimmungsfähigkeit geschaffen (Johannsen & Henrich 1998, 1028) und dann in Gerichtsbeschlüssen zitiert, um den Kindeswillen jüngerer Kinder zu negieren. Für die einen bedingen sich Kindeswohl und -willen gleichermaßen.

Für die anderen kann es dem Kindeswohl schaden, wenn der Kindeswille zu viel Gewicht findet. In jedem dieser Fälle ist zu prüfen, ob eine Gefährdung vorliegt, wenn dem Kindeswillen entsprochen wird, allerdings ebenso, wenn ihm nicht entsprochen wird. Als nächsten Punkt ist der induzierte Wille zu nennen. Dabei handelt es sich um die Beeinflussung der Kinder durch die Bezugspersonen. Immer wieder wird das dem Elternteil vorgeworfen und auf der anderen Seite findet das PAS Syndrom (Eltern-Kind-Entfremdung) kaum Bedeutung im Gericht (Anmerkung - es findet Beachtung- allerdings wird es ausschließlich gegen die Mutter verwendet). Darauf gehe ich später genauer ein. Wie bereits oben erwähnt sind Menschen soziale Wesen und unterliegen einer Beeinflussung durch andere Menschen, welches völlig normal ist.

In Familienverfahren wird dieses nicht berücksichtigt.

 

→ Jeder menschliche Wille ist beeinflussbar, auch der Wille Erwachsener ( Lempp 1983; Köster 1997).

 

→ Erziehung sei immer Beeinflussung, weshalb das Kind sogar Anspruch auf Beeinflussung habe (Lempp 1983).

 

Im § 156 Abs. 1 FamFG soll das Gericht auf das Einvernehmen der Beteiligten hinwirken, wenn dies für das Kindeswohl dienlich ist. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass dieses Hinwirken nicht dem Kindeswohl entsprechen muss. Das Gericht hat dies wiederum zu vermeiden und nicht zu akzeptieren. Der gleiche Aspekt dient für Sachverständige, die psychologische Gutachten anfertigen, was allerdings oft wegen fehlenden Fachstandards nicht existiert. (Quelle: Kindeswohl und Kindeswille, Harry Dettenborn, 6. Auflage 2021, Ernst Reinhardt Verlag München) Rund 80% der Gutachten für Familiengerichte sind mangelhaft. Diese Mängel beziehen sich auf die Gesprächsführung, Verhaltensbeobachtung und Handhabung psychologischer Tests. Da Qualifikationen nicht gesetzlich vorgeschrieben sind und es keine Regeln für die Erstellung der Gutachten gibt, verwundert diese Fehlerquote nicht (DguSV Deutscher Gutachter und Sachverständigen Verband). Es liegt an der Subjektivität des Gutachters, wie er zum Beispiel Zeichnungen von Kindern interpretiert und somit kann dies erhebliche negative Auswirkungen auf die Familie und die Entscheidung haben. Das PAS Syndrom ( Parental Alienation Syndrome) Nach GARDNER Anmerkung April 2023 - Nach ausreichender Recherche, werde ich das PAS Syndrom nicht mehr verwenden oder benennen. Gardner nutze dieses "Syndrom" für schädliche Zwecke und es diente dazu, dass Mütter ihre Kinder nicht mehr vor Übergriffigkeiten beschützen konnten.

 

Achtung!!! Das PAS Syndrom findet leider immer noch fälschlicherweise, anstelle von häuslicher Gewalt/Nachtrennungsgewalt in Behörden und Gerichten zu viel Anklang.

 

 

 

(Absatz entfernt)

 

Die häusliche Gewalt spielt in bis zu 60% der Familiengerichtsverfahren eine Rolle. Diese findet, obwohl die Zahlen dramatisch steigen zu wenig Gewicht. Solange häusliche Gewalt als Bagatelldelikt behandelt wird, werden Kinder zu Umgängen mit diesem Elternteil gezwungen, welches wohl kaum dem Kindeswohl entsprechen kann. Anwälte und Opferschutzstellen raten Mütter, die häusliche Gewalt nicht im Gericht zu erwähnen, da diese gegen sie verwendet wird und die Mütter als Lügnerinnen dargestellt werden.

Jede dritte Frau macht in ihrem Leben Erfahrungen mit häuslicher Gewalt. In über 80% der Fällen sind Frauen die Opfer. Zu diesen Frauen gehören meistens Kinder, die über Jahre dieser Gewalt ausgesetzt waren, sei es beim Zusehen oder selbst betroffen. Daraus folgen erhebliche Traumatisierungen. Jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem Partner/Expartner getötet. Sprachlos machen Gerichtsbeschlüsse, in denen Täter für versuchte Femizide (Taten, die sich gegen Frauen richten, weil sie Frauen sind) eine Bewährungsstrafe erhalten und ihnen das Familiengericht Umgang zuspricht bzw. das gemeinsame Sorgerecht bestehen bleibt. Häusliche Gewalt betrifft sowohl physische, als auch psychische Misshandlung, Vergewaltigung, Freiheitsentzug, Kontrolle, Stalking und Gaslighting (das Opfer wird für paranoid erklärt, da es sich alles nur einbilden würde). Von Müttern wird verlangt, sich mit dem Kindesvater zu einigen, denn das sei die Aufgabe der Mutter, ungeachtet dessen, ob sie häusliche Gewalt erleiden musste. Gerichte ordnen Paartherapien an, obwohl bereits eine Trennung stattgefunden hat. Häusliche Gewalt resultiert oft aufgrund einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung des Täters, welches ebenso wenig in Familiengerichten erörtert wird. Man könnte meinen, es gäbe für die Behörden und Gerichte keinen Narzissmus, obwohl eindeutig im ICD-10 unter F60. - spezifische Persönlichkeitsstörungen, narzisstische, festgelegt sind. Ich wünsche mir, dass sich, vor allem Jugendämter und Gerichte, mit diesem Persönlichkeitsbild auseinandersetzen und Weiterbildungen angeboten werden, die sensibilisieren. Zur häuslichen Gewalt zählt ebenso der kindliche, sexuelle Missbrauch durch einen Elternteil. Kinder können oft erst mit dem Älterwerden erkennen, dass dieses nicht normal ist und ihnen unendliches Leid angetan wurde. Mit den Folgen haben sie lebenslang zu kämpfen. Elternteile, die pädophile Neigungen haben, bekommen in nicht erheblichen Fällen ein Umgangsrecht, da sie sich nicht an dem eigenen Kind vergangen haben und es wird mit dem Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen argumentiert.

Ich könnte dies ewig fortführen, möchte nunmehr zum Ende kommen.

 

Zum Abschluss relevante Rechtsnormen :

 

BGB §1626 Elterliche Sorge; Grundsätze

 

§1631 Inhalt der Personensorge

 

§1632 Herausgabe des Kindes; Bestimmung des Umgangs; Familienpflege

 

§1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

 

§1684 Umgang des Kindes mit den Eltern §1697a Kindeswohlprinzip Soweit nicht anders bestimmt ist, trifft das Gericht, im Verfahren über die in diesem Teil geregelten Angelegenheiten, diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten, sowie der berichtigen Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

 

SGB VIII §1 Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe

 

§ 8 Beteiligung von Kindern und Jugendlichen §8a Abs. 1 Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung FamFG

 

§ 35 Zwangsmittel

 

§ 89 Ordnungsmittel

 

§ 155 Vorrang- und Beschleunigungsgebot

 

§ 156 Hinwirken auf Einvernehmen

 

§ 158 Verfahrensbeistand:

Anmerkung von mir: Im Jahr 2022 wurde der Absatz 5 gestrichen, der es ermöglicht hat, dass Eltern statt dem vom Gericht bestellten Verfahrensbeistand, selbst einen Anwalt für ihr Kind bestellen dürfen. Diese Möglichkeit wurde den Familien genommen und sie können den bestellten Verfahrensbeistand nicht ablehnen, auch wenn er befangen ist und nicht die Interessen des Kindes vertritt.

 

§ 159 Persönliche Anhörung des Kindes

 

§ 163 Sachverständigengutachten: Anmerkung von mir: Die Sachverständigen werden vom Gericht beauftragt und dürfen nicht von den Eltern ausgesucht werden.

 

Meine Ausführungen dienen der Sensibilisierung und keineswegs der Verallgemeinerung. Diese Erfahrungen beruhen auf persönlichen Erlebnissen und denen mir bekannten, ebenso von Fällen die öffentlich Gehör finden.

Januar 2023 Nathalie Albat

 

Überarbeitet April 2023